Episode V
"Was meinst du, wo geht es weiter? Folgen wir dem Bach?"
Er tätschelte Pegasus’ Hals. Pegasus schnaubte.
"War das ein Ja? Wir gehen zusammen und folgen dem Bach?"
Pegasus wieherte leise. Es war ein Ja.
"Weißt du, ich bin ja im Grunde kein Schisser. Und es ist toll, dass ich dich an meiner Seite habe. Aber die letzten Ereignisse waren ebenso unerwartet wie angsteinflössend. Ich weiß nicht, was da draußen ist. Ich weiß nur, dass es dunkel ist. Und ungewiss. Und dass mir viel wohler wäre, wenn ich bewaffnet wäre.
Verstehe mich nicht falsch, ich halte Gewalt für keine Lösung und im Grunde verabscheue ich Waffen. Aber eine Waffe würde mich hier und jetzt doch sehr beruhigen. Auch wenn ich damit nicht umgehen könnte, wäre mir doch sehr viel wohler. Das klingt sicher reichlich blöd. Aber du hast nicht zufällig etwas waffenähnliches dabei?"
Pegasus wandte den Kopf und sah ihn an. Dann drehte er sich um und ging zum Teich.
"Was ist denn, habe ich dich beleidigt?"
Pegasus reagierte nicht. Er ging ein paar Schritte in das leuchtende Nass und trank ausgiebig.
"Schon klar, auch du hast Durst.“
Da stand er nun und sah einem geflügelten Pferd beim Trinken von silbrig leuchtendem Wasser zu. Es war bizarr.
Was willst Du eigentlich? Du wurdest gerettet, bist nicht allein und dunkel ist auch nicht mehr. Was um aller Welt willst Du mit einer Waffe? Mit so etwas kannst Du doch gar nicht umgehen. Idiot!
Pegasus wieherte leise, sah ihn an und schüttelte seine lange Mähne.
"Lass mich raten. Du kannst Gedanken lesen und lachst mich gerade aus."
Pegasus schnaubte, schüttelte erneut sein Kopf, wieherte leise.
"Was ist denn?"
Er ging zu ihm. Was wollte Pegasus ihm sagen?
Am Grund des Teiches schimmerte etwas.
Er zog seine Schuhe und Socken aus, krempelte die Hose hoch und ging in das Wasser. Es war flach, gerade eben knietief ... und kalt.
Das gab es doch nicht ...
Da lag es, direkt vor Pegasus. Er griff zu und holte es aus dem Wasser.
Ein Schwert samt Scheide.
Er war sprachlos. Da stand er bis zu den Knien im Wasser und hielt dieses prächtige Schwert in seinen Händen. Und plötzlich schien alles möglich.
Vorsichtig zog er es aus der Scheide. Es war spiegelblank und leuchtete ebenso silbern wie das Wasser des Sees. Er schwang es vor sich und schrieb eine leuchtende, liegende Acht in die Luft. Das Schwert sang leise in seiner Hand, trotz seiner Länge war es erstaunlich leicht.
Es lag gut in der Hand und auch wenn er zum ersten Mal eines in seiner Hand hielt, kam es ihm vor, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, als ein Schwert zu führen.
Jetzt fehlt bloß noch meine Rüstung und die anderen Ritter der Tafelrunde.
Plötzlich war er seltsam entspannt, alle Anspannung von ihm abgefallen. Der Schmerz in seiner Brust ließ nach, in seiner linken Armbeuge pochte es noch ein wenig.
Er stieg aus dem See und zog sich wieder an. Pegasus folgte ihm. Er befestigte das Schwert so gut es ging an seinem Gürtel und wandte sich zu Pegasus.
"Wollen wir?"
Er war bereit. Der Bach wand sich inzwischen bis zum Horizont, er würde ihr Wegweiser sein. Pegasus kniete sich auf seine Vorderbeine und ließ ihn aufsteigen. Er hielt sich an seiner Mähne fest, winkelte seine Beine wie ein Jockey an und klemmte sich mit seinen Oberschenkeln an Pegasus’ Flanken fest.
Pegasus stand auf, tänzelte ein wenig auf der Stelle und wieherte laut. Er breitete seine Flügel aus und schlug mit ihnen. Dann stemmte er seine Hinterläufe in den Boden und galoppierte los.
Der Anlauf war nur kurz. Er schlug kräftig mit seinen Flügeln und erhob sich elegant in die Dunkelheit.