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Ungut

von ILJA


Episode I


Er schlug die Augen auf. Ein Echo klang in seinen Ohren. Er konnte es nicht zuordnen.
Irritiert sah er sich um. Da war nichts. Schwärze.
Hatte er seine Augen überhaupt geöffnet? Er schloss die Augen, öffnete sie wieder, blinzelte, kniff seine Augen zusammen. Nichts. Er rieb seine Augen, drehte seinen Kopf.
Dunkelheit. Finsternis.
Er lag auf dem Rücken. Alles schien in Ordnung.
War er im Bett, war es Nacht? Nein. Da war kein Bett, keine schützende Decke die ihn umhüllte. Etwas war anders, nicht so wie es sein sollte.
Die Dunkelheit. Sie war allgegenwärtig und umschlang ihn mit ihren düsteren Armen. Wohin er sich auch wendete, bedrückende Schwärze umgab ihn. Er versuchte angestrengt irgendetwas zu erkennen, Einzelheiten auszumachen, es wollte ihm nicht gelingen.

Wo bin ich und wie bin ich hierher geraten?

Es war merkwürdig still hier, kein Laut war zu hören, kein Geräusch, nichts. Die Finsternis schien alles aufzusaugen. Wieder und wieder rieb er sich die Augen.
„Hallo?“
Seine Stimme klang dumpf und unwirklich. War das wirklich seine Stimme?
„Hallo, kann vielleicht mal jemand Licht anmachen und den Quatsch beenden?“
Wieder verschwanden die Laute in der Dunkelheit, wurden förmlich von ihr verschlungen.
Keine Antwort. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf.
Er fühlte einen dumpfen Schmerz in der Brust. Ihm war kalt.
War es hier kalt? Er betastete seinen Körper. Pullover, Hose, Schuhe. Er war bekleidet.
Was war nur passiert?
Er dachte nach. Nichts, keine Idee, keine Erinnerung wollte sich einstellen.

Denk nach verdammt!

In seinem Kopf herrschte große Leere. Das Nachdenken tat weh, er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen.
Wie sehe ich eigentlich aus?
Das war eine gute Frage. Eine blasse Erinnerung tanzte vor ihm, doch sie ließ sich nicht greifen. Er strich sich über das Gesicht, sein Kinn war ein wenig stoppelig. Ansonsten schien alles normal zu sein. Nur, was war normal?
Er stand auf. Zumindest das klappte. Sein Körper gehorchte ihm.

Ich denke, also bin ich. Ein schöner Satz. Aber wer bin ich, verdammt, und wo?

Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Finsternis. Nicht das er wirklich etwas zu sehen vermochte. Er meinte verschiedene Schattierungen ausmachen zu können. Eine Art Weg war zu erahnen, gleich vor ihm. Vorsichtig tastete er sich hin.
Der Untergrund war weich und federnd. Er bückte sich, befühlte den Untergrund. Was war das nur? Es fühlte sich fast an wie Leder. Aber ein lederner Weg war ja nun wirklich albern. Egal, er konnte darauf gehen.
Ein dämmeriger Schein in der Ferne weckte seine Aufmerksamkeit.
Er atmete hörbar aus.
„Na das ist doch wenigstens etwas. Dann mal los.“
Vorsichtig tastete er sich den Weg entlang.

Immer Schritt für Schritt, wer weiß was hier so herumliegt.

Doch der Weg war eben und führte scheinbar immer geradeaus.
Er blieb stehen. Was war das?
Er glaubte Stimmen zu hören, leise, aber hektisch redende Stimmen. Verstehen konnte er sie nicht, sie redeten zu schnell durcheinander. Er sah sich um, niemand war zu sehen. Dunkelheit hüllte ihn ein.

Oh Mann, jetzt höre ich jetzt schon Stimmen.

Witzig zu sein war nur ein verzweifelter Versuch sich selbst zu täuschen. Es gelang nicht. Das ungute Gefühl wurde stärker.
Ihn fröstelte. Kalte Schauer liefen ihm den Rücken hinunter, seine Nackenhaare stellten sich auf. Sein Instinkt warnte ihn. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Das Stimmengewirr wurde lauter. Unmittelbar neben ihm schienen sich Leute zu unterhalten. Er konnte sie nicht verstehen. Redeten die über ihn? Oder vielleicht mit ihm?
„Hallo? Ich kann sie hören! Wo sind sie? Hallo?“
Niemand antwortete.
Die Stimmen wurden hektischer, lauter. Er hörte Schritte, irgendetwas klapperte und schepperte, es summte und knisterte. Die Geräusche kamen ihm seltsam vertraut vor, nur waren sie so verdammt laut. Der Lärm wurde unerträglich, schaukelte sich zu einer abstrakten Kakophonie auf.
Er hielt sich die Ohren zu.
Jemand packte ihn an den Schultern. Er schrie vor Schreck auf. Hektisch tastete er in der Dunkelheit.
„Wer ist da?“
Keine Antwort.
„Was soll die Scheisse? Das ist nicht lustig! Hört auf mit dem Mist und lasst mich endlich hier raus!“
Keine Reaktion. Die Stimmen waren verstummt und mit ihnen die Geräusche. Stille breitete sich aus.
Plötzlich gab der Boden unter seinen Füssen nach.
Er versuchte zur Seite zu springen, sich festzuhalten, vergebens. Er fiel ins bodenlose.


>>> Episode II