www.Kurzgeschichten.bplaced.net


Besuch aus dem Busch

von Victoria


Wir fuhren zum Zelten an die Spitzkoppe. Das war im Grunde nichts weltbewegendes. Wir wollten einfach nur mal wieder raus in die Natur. Am Lagerfeuer sitzen, draußen essen, Tierlaute hören und irgendwie eins mit der Natur werden. So ein bisschen Abenteuer eben.
Es war ein herrlicher Tag. Wir sind auf den Basalt- und Granitbrocken herumgeklettert und haben Klippdachse und Adler gesehen. In der Dornbuschsavanne ästen friedlich die Springböckchen und als die Sonne unterging hörten wir die Rufe der Schakale. Schaurig schön. Nach dem Abendessen am Feuer, tranken wir noch ein Glas Wein und sahen in den Sternenhimmel, der uns vorkam als könne man ihn berühren. Es war so schön, dass wir unsere Luftmatratzen aus dem Zelt holten, um draußen zu schlafen.
Zwei Stunden haben wir einfach nur in den Himmel gestarrt. Es war wie in einem Hollywood-Schinken. Wir konnten sprichwörtlich tausende Lichter sehen und sogar die Milchstraße war klar erkennbar.
Ich kann gar nicht sagen, vor wie vielen Jahren ich das zum letzten Mal gemacht habe und mich beim Blick in den Sternenhimmel komplett verloren. Es war spannender als jeder Krimi im TV und wurde einfach nicht langweilig.
Nach kurzer Zeit fühlten wir uns ganz klein. Ein Klischee, jedoch wenn man es wirklich selbst erlebt, so wie wir vor unserem Zelt, ist man doch stumm vor Staunen. Wir sind nichts, nicht einmal ein Hauch eines Hauches angesichts dieser grandiosen Unendlichkeit. Wie wir dort lagen und hinaufschauten, hatten wir fast den Wunsch uns einfach ganz sanft aufzulösen und Teil des Unglaublichen zu werden.
Nein, ich hatte auch an diesem Abend keine Drogen genommen (von zwei Glas Weißwein mal abgesehen). Angesichts des Schauspiels am Himmel auch völlig unnötig. Wir sahen völlig losgelöst in die Unendlichkeit ...
und dann kam was kommen musste. Uns wurde mit einem Schlag bewusst, dass wir nicht mehr allein waren. Knackende Äste, raschelndes Unterholz und ein lautes Knurren ließ uns schnellstens mit unseren Matratzen wieder ins Zelt verschwinden. Kaum hatten wir den Reißverschluss geschlossen, hörten wir, wie etwas um unser Zelt herum schnüffelte und die Reste unseres Abendessens hungrig verspeiste. So wie die Knochen geknackt wurden und die Kiste mit dem noch rohen Fleisch umgestossen wurde, war uns klar wer da draußen war. Löwen.
Wir waren wie elektrisiert und hatten wahnsinnige Angst. Es ist kein gutes Gefühl, wenn man von einem hungrigen Löwenrudel nur durch eine dünne Leinwand getrennt ist. Wir schwitzten vor Angst aus allen Poren und waren nun gar nicht mehr cool.
Nach einer Weile wurde wieder alles ruhig und wir beschlossen vorsichtig nachzusehen. In meiner Fantasie sah ich das Rudel vor meinem Zelt sitzen und auf mich warten. Die Vernunft flüsterte mir zu, dass ich nun einfach schlafen und am Morgen im hellen Sonnenlicht nachsehen sollte, aber die Neugier war einfach stärker. Ich öffnete einen kleinen Spalt am oberen Zelteingang, hielt den Atem an und leuchtete mit der Taschenlampe hinaus.
Nichts.
Vielleicht lagen die Löwen inzwischen hinter meinem Zelt. Vorsichtig sah ich nach. Aber auch dort war nichts. Alles war wieder friedlich, so wie vorher.
Ob wir es uns nun wieder draußen bequem machen wollten, war die etwas zynische Frage meines Begleiters. Aber daran war unter keinen Umständen mehr zu denken. Ich war froh, dass wir nicht schon eingeschlafen waren, als das Rudel kam. Auch wenn höchstwahrscheinlich gar nichts passiert wäre. Sie wollten wohl nur mal bisschen rumschnüffeln.
Ein paar Wochen später wurde eine Löwin in der Gegend erlegt, da sie einige Ziegen der Eingeborenen gerissen hatte. So stand es in der Allgemeinen Zeitung. Ob es wohl eine der Löwinnen aus unserer Besuchergruppe war? Wer weiß.