www.Kurzgeschichten.bplaced.net


Aus dem Leben einer Surfspinne

von ILJA


Wie, Du weißt nicht was eine Surfspinne ist? Nun, das könnte daran liegen, das Du noch zu jung bist oder daran, und das ist wahrscheinlicher, das dieser Name eine Kreation meinerseits ist.
Spinnen sind ja allgemein etwas unbeliebt. Völlig zu Unrecht. Sie sehen vielleicht manchmal etwas schauderhaft aus, sind aber sehr nützlich und tun uns Menschen nichts. Man hört leider viel zu oft den Ausruf : „Ihhh, eine Spinne!“ und daraufhin einen krachenden Latschen oder das Geräusch eines Staubsaugers. Viele dieser kleinen Geschöpfe erleben auf diese Weise ihr unrühmliches Ende.
Habt ihr Euch mal die Zeit genommen und ein Spinnennetz ganz aus der Nähe betrachtet oder eine Spinne beim Bau eines Selbigen beobachtet? Im Herbstnebel sind sie besonders schön anzusehen, wenn die Wassertröpfchen das Netz sichtbar machen und wie kleine Diamanten im Licht funkeln.
Die Zeit der Surfspinne kommt jedoch im späten Sommer, wenn die kleinen Babyspinnen an ihre Fäden durch die Luft schweben und die Größeren sich genüsslich in der Sonne rekeln. Mir ist sie an einem Sonntagmorgen zum ersten Mal aufgefallen.
Ich bin zu meinem Auto gegangen und habe das Netz am Außenspiegel gesehen. Wie alle Autofahrer wissen, stehen die Außenspiegel eines Autos in der Gunst der Spinnen sehr hoch. Der Platz ist nahezu perfekt für ein Netz und der Spiegel bietet genügend Schutz vor ihren Feinden und natürlich auch vor schlechtem Wetter. Ich, als Spinnenfreund, lasse die Netze für gewöhnlich heil, sie stören ja auch nicht. Außerdem baut sich die Spinne, sollte man ihr Bauwerk zerstören, sowieso ein Neues.
Kurz nachdem ich den Motor gestartet hatte, erschien auch Frau Spinne. Sie schien eine angenehme Nacht verbracht zu haben, jedenfalls reckte und streckte sie sich, man hätte fast ihr gähnen hören können. Ich wünschte ihr einen guten Morgen und fuhr los. Als sie merkte, daß wir uns bewegen, wurde sie unruhig. Ich gab ihr den Tip, wieder hinter den Spiegel zu krabbeln und noch ein bisschen zu schlafen, schließlich war es noch kühl und ich war um ihre Gesundheit besorgt. Frau Spinne aber machte sich auf den Weg zum oberen Spiegelrand. Oh oh, hoffentlich fliegt sie nicht weg, dachte ich. Sie erklomm mutig den Rand und stemmte sich gegen den Fahrtwind. Ich schaute ihr eine Weile zu, meine Sorge um ihr Wohlergehen war anscheinend unbegründet. Im Gegenteil sie schien es zu genießen. Sie schaute mich an als wollte sie sagen: „Schneller!!!“.’ Okay, sagte ich, da vorn ist der Ort zu Ende, da kann ich Gas geben.’ Gesagt, getan.
Am Ortsausgang trat ich das Gaspedal durch. Das Auto bäumte sich auf wie ein wildes Pferd und schoss davon. Frau Spinne krallte sich geduckt am Spiegel fest. Bei Tempo 100 ließ ich es gut sein, schließlich wollte ich sie nicht überfordern.
Da sah ich wie sich Madam Spinnè langsam aufstellte. Scheinbar war sie im Adrenalinrausch und wurde langsam übermütig.
„Ist das alles?“ schien sie mir zuzurufen.
’Für den Anfang sollte es reichen’ sagte ich, ’nächstes Mal wird’s noch schneller.’ „Ohh Schade.“ Ihre Gestik sprach Bände.’ Es war schon ganz schön schnell für das erste Mal und ich möchte nicht, daß dir etwas passiert.’
Ich fuhr gemütlich weiter, und Frau Spinne machte es sich auf dem Spiegel bequem.
Das war letztes Jahr und Frau Spinne ist mir und meinem Auto, vielleicht auch wegen diesem Erlebnis, treu geblieben. Es erfüllt mich immer mit Stolz, wenn Tiere mir vertrauen. Auch wenn es “ bloß “ eine Spinne ist. Aber eben eine Surfspinne.

Es könnte natürlich sein, dass meine Fantasie ein bisschen mit mir durchgegangen ist, und ich ein paar Kleinigkeiten dazugedichtet habe.
Aber so, oder so ähnlich hat es sich zugetragen, und wer weiß, vielleicht siehst ja auch Du die Surfspinne an einem schönen Sonntagmorgen ....