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Die Geschichte von den Augenzwergen

von ILJA

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Neulich war ich mal wieder etwas früher wach. Das passiert mir öfter, meist wenn ich beruflich im Stress bin, werden die Nächte kürzer als gewollt. Also wälzte ich mich noch mal von einer Seite auf die andere, da hörte ich es. Leises Wispern, kaum hörbares Quietschen und Trampeln.
'Das kann doch wohl nicht wahr sein, sind die draußen schon wieder am Arbeiten?' dachte ich. Die Uhr zeigte 6.23 Uhr, das schien mir doch ein bisschen früh zu sein. Ich stand leise auf und lugte durch die Gardine. Nein, draußen war alles ruhig.
Merkwürdig, alles nur Einbildung? Na was soll's, zurück ins Bett. Kaum hatte ich mich wieder in die warme Decke gemummelt, hörte ich es wieder. Ich blickte mich um, meine Frau schlief noch fest, beneidenswert so ein Schlaf. Aber was waren das für Geräusche? Sie schienen von meiner Frau auszugehen. 'Na toll, meine Frau quietscht.'
Ich lachte leise. Was für Gedanken einem doch im Halbschlaf so kommen. Unwillkürlich musste ich an Louis de Funés und sein Abenteuer mit den Außerirdischen denken, die haben auch gequietscht. Ich rückte ein bisschen näher ran, die Geräusche wurden lauter. Meine Ärztin meinte zwar, mein Gehör wäre super und ich müsste doch das Gras wachsen hören. Aber wachsendes Gras quietscht wohl nicht, außerdem gab es in unserem Schlafzimmer kein Gras und so langsam zweifelte ich an mir und meiner Ärztin.
Ich betrachtete meine schlafende Frau, da bemerkte ich eine Bewegung in ihrem Gesicht, hat sie geblinzelt? Nein, aber irgendetwas war da. Ich rückte ganz nahe heran, da noch eine Bewegung, kaum zu sehen, aber kein Zweifel. Die Geräusche waren auch noch da, ich machte leise Rufe aus.
"Haltet fest! Ja so ist's gut, nicht locker lassen!" Das gab es doch gar nicht ...
Auf ihrem Gesicht, genauer um ihre Augen herum, war ein hektisches Treiben in Gang, Lauter winzige Gestalten machten sich an den Wimpern und Augenlidern meiner Frau zu schaffen. Ich rieb mir die Augen und kniff mir selbst in die Wange. 'Aua', ich war scheinbar wirklich wach und was ich dort sah absolut real.
15, nein 20 klitzekleine Männer waren dabei die Wimpern meiner Frau mit allerlei Hilfsmitteln zusammenzuhalten. Es schien eine anstrengende und nicht ungefährliche Beschäftigung zu sein, die Zwerge stöhnten unter der Anstrengung und ab und zu purzelte einer die Wange hinunter. Aber nur um gleich darauf wieder das Gesicht in Richtung Augen zu erklimmen. Einer führte das Kommando und dirigierte etwas hektisch seine Leute hin und her.
"Passt auf, da drüben muss es fester werden, sie hat noch 10 Minuten!"
'Sie hat noch 10 Minuten?' Ich sah auf die Uhr, 6.30Uhr, er hatte absolut recht, um 6.40 Uhr würde der Wecker klingeln. Waren das etwa so was wie Heinzelmännchen, nur für den Schlaf zuständig? Und warum war ich dann schon wach, waren meine im Urlaub? Oder war es ihnen zu anstrengend mit mir und meinem unruhigen Schlaf?
'Ich werde den Chef mal fragen', dachte ich mir. Hoffentlich laufen sie nicht gleich weg, wenn sie merken, dass ich sie beobachte.
'Hey ihr Kleinen, macht ihr das jede Nacht?'
Der Chef sah zu mir auf. "Ja natürlich, was glaubst denn Du, warum ihr solange die Augen zu behalten könnt?"
'Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht.'
"Naja, nun hast Du ja die Erklärung."
'Hmm, das glaubt mir keiner ...'
Das Klingeln des Weckers ließ mich aufschrecken. 6.40 Uhr, ja das war richtig. Ich sah zu meiner Frau, wo waren sie denn geblieben? Keine Spur mehr von den Augenzwergen. Das hatte ich doch nicht geträumt. Naja, ein bisschen komisch war das schon, aber kann ein Traum so real sein?
Etwas durcheinander ging ich ins Bad, eine Dusche würde mir jetzt gut tun. Beim Blick in den Spiegel fiel mir der rote Fleck an meiner Wange auf. Ich tastete ihn ab, es schmerzte ein wenig. Ach ja, ich hatte mich ja gekniffen. Moment, aber dann war das doch kein Traum?
Mir kam Gulliver in den Sinn, der war auf seinen Reisen auch auf Zwerge gestossen. Gut, die hatten ihn gefesselt und nicht seine Augen zugehalten, aber wer weiß, in jedem Märchen steckt ja schließlich ein Körnchen Wahrheit. Und vielleicht waren ja die Vorfahren dieser Winzlinge nicht ganz so friedlich wie unsere Augenzwerge.
Wie auch immer, wenn ich sie das nächste Mal sehe, werde ich der Sache weiter auf den Grund gehen.