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Oberwesel den 27.07.2005

von Heß


Eigentlich ist alles in Ordnung. Ich habe eine Zeitung gefunden und vier Sitze für mich allein. Dass der Artikel über fahradfahrende Politiker mich nicht sonderlich interessiert, ist nicht schlimm, da ich die Zeitung auf den Sitz gegenüber lege um mein verletztes Bein hochlegen zu können.
Aus dem zerbrochenen Plastikschrott, zu dem ich meine Kopfhörer im Laufe der Zeit gemacht habe, tönt lautstark und bassig "A Wonderful World", gesungen von Louis Armstrong. Eine gemütliche Situation, die mich über die Verspätung des Ersatzzuges in dem ich sitze hinwegsehen lässt.
Der Blick aus dem Fenster zeigt eine von weißem Hagel bedeckte Strecke und den Bahnhof von Oberwesel, der von kaltem Wind umstürmt wird. Es muss gewartet werden, die Strecke ist blockiert, raschelt eine viel zu leise Stimme aus dem Lautsprecher. Ein Unwetter hat seine eisige Fracht über Oberwesel ausgeschüttet und einen Baum auf die Gleise geworfen.
Nach einer Weile rollt der Zug wieder langsam an. Der Zugführer meldet sich erneut. "Sehr geehrte Fahrgäste, zu ihrer rechten Seite sehen sie nun die Auswirkungen des starken Unwetters. Ich hoffe, das wird sie während der langsamen Fahrt auf dieser Strecke unterhalten." Über diesen Ausspruch muss ich lächeln und ich kann sehen, dass auch die anderen Fahrgäste belustigt sind.
Zufrieden lehne ich mich zurück, lausche der Musik und denke eigentlich ist alles in Ordnung. Das einzige was nicht ins Bild passt ist der Hochsommer. Es ist Mitte Juli.